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CO2-Kompensationen – Ablasshandel oder wirksamer Klimaschutz?

Kolumne von christof drexel, 10.11.2020
Portrait Christof Drexel

Buchautor und Referent Christof Drexel ist Experte für Fragestellungen rund um die Energiezukunft und deren nachhaltige Erreichbarkeit. Mehr zu seiner Person im Portrait.

Wir können unsere Emissionen nicht auf null reduzieren, nicht einmal theoretisch. Praktisch sind viele von uns sogar darauf angewiesen, manchmal grössere Mengen zu emittieren – zum Beispiel beim Reisen per PKW oder Flugzeug. Nicht nur beruflich, sondern aufgrund familiärer Umstände vielleicht auch privat.

Anbieter von CO2-Kompensationen, wie atmosfair oder myclimate, ermitteln nun die Höhe einer Emission und sorgen gegen Entgelt dafür, dass diese Emission andernorts «kompensiert» wird. Die mit dem Entgelt finanzierten Klimaschutzprojekte verdienen diesen Namen durchaus – es werden Verbesserungen der Energieeffizienz oder Erneuerbare Energien gefördert, manchmal auch Aufforstungen. Wobei das bilanziell keinen Unterschied macht – im einen Fall werden Emissionen reduziert oder vermieden, im anderen Fall werden der Atmosphäre Treibhausgase entzogen (vgl. Negative Emissionen).

Der Preis für die Kompensation einer Tonne CO2 liegt heute meist zwischen 30 und 50 Franken. Damit ist es gegenwärtig relativ kostengünstig möglich, die Emissionen eines Fluges oder auch der Aktivitäten des ganzen Jahres zu kompensieren. Das liegt daran, dass viele CO2-Minderungsmassnahmen schon wirtschaftlich sind und eigentlich gar keine Unterstützung bräuchten – wie zum Beispiel die Errichtung einer Photovoltaikanlage.

Um bei diesem Beispiel zu bleiben: Je mehr aber PV-Strom in unsere Netze eingespeist wird, umso mehr wächst der Bedarf an Speicherung von elektrischer Energie. Das kostet Geld, und die eingesparte Tonne CO2 wird teurer. So ähnlich ist das in allen Bereichen – bei der Effizienz, den Erneuerbaren, der Landwirtschaft etc. Jeweils die wirtschaftlichsten Massnahmen werden umgesetzt; je mehr die Emissionen reduziert werden, umso teurer wird es.

Und das gilt es bei Kompensationszahlungen zu bedenken: Es ist gut und wichtig, Klimaschutzprojekte zu finanzieren. Das gegenwärtige Preisgefüge trügt aber und verleitet möglicherweise dazu, die eine oder andere Emission – im wahrsten Sinne des Wortes – in Kauf zu nehmen. Je rascher es gelingt, die Emissionen relevant zu senken, umso weniger stehen «billige» Arten der Vermeidung zur Verfügung. Viel zu emittieren, wird (und muss) auch viel kosten.

Die häufige Kritik, CO2-Kompensationen seien «Ablasshandel», teile ich nicht. Wenn an erster Stelle die Vermeidung steht und das Unvermeidbare kompensiert wird, spricht nichts dagegen. Die Preise für die vermiedene Tonne werden aber sukzessive ansteigen – durchaus auf ein Niveau von mehreren Hundert Franken (vgl. CO2-Abgabe: Warum und wie hoch?).

Wer das heute schon berücksichtigt, trifft seine Entscheidungen vielleicht noch sorgsamer.

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