Magazin Rubriken Versorgungssicherheit
Türkisgrüne Anlage an der bunte Sicherheits-Fähnchen sowie ein Schild Achtung Hochspannung hängen.

So funktioniert die Stromversorgung von Zürich

Ein Blick in die – erstaunlicherweise nicht ganz allwissende – Netzleitzentrale und die Unterwelt der Unterwerke zeigt, wie die Stromversorgung der Stadt Zürich funktioniert und wie sie laufend sichergestellt wird. Und: Warum reagiert man in Graubünden bei einem Blackout entspannter als in Zürich?
versorgungssicherheit von Kevin Bloch

Hinter einer gesicherten Tür im ewz-Hauptsitz in Zürich-Oerlikon befindet sich die Netzleitstelle Zürich. Nur Auserwählte dürfen diesen Raum betreten, der fast ausschliesslich aus Bildschirmen zu bestehen scheint. Hier überwachen und steuern spezialisierte Mitarbeitende, die sogenannten Dispatcher, das gesamte Stromnetz der Stadt Zürich.

Die Leitstelle ist 38 Stunden pro Tag besetzt. Ein Platz 24, der andere 14 Stunden. Eine eigene Küche und Toilette stellen sicher, dass die Dispatcher ihre Plätze nur möglichst kurz verlassen müssen. Ihre Sessel gleichen den superergonomischen Stühlen von Profi-Gamer*innen, ausgelegt auf langes Sitzen und ungebrochene Konzentration.

Mitarbeiter überwacht die Stromversorgung Zürich auf Monitoren, um die Versorgungssicherheit des Stromnetzes zu gewährleisten.
Monitore in einer Leitstelle überwachen die Stromversorgung Zürich und sorgen für hohe Versorgungssicherheit.
Der Arbeitsplatz eines Dispatchers in der ewz-Netzleitstelle Zürich.

Entsprechend fokussiert sind die Dispatcher auch auf ihre je acht Bildschirme und den riesigen Screen, der das Stromnetz der Stadt abbildet. Teils in Birkenstock und Heavy-Metal-Pullover, sehen sie genauso aus, wie man sich hoch qualifizierte Nerds vorstellt. Und das müssen sie auch sein, mit fundiertem Wissen in Informations- und Elektrotechnik.

Stromausfälle sind nur die Spitze des Eisbergs

Störungen im Zürcher Stromnetz gibt es wöchentlich. Im Jahr 2024 waren es total 108, wovon 94 zu effektiven Stromausfällen bei Kund*innen führten.

Wenn es einen Stromausfall im Mittel- und Niederspannungsnetz gibt, weiss ewz in der Regel erst nicht, wo exakt die Störung aufgetreten ist. Nicht bevor jemand anruft und eine Störung meldet. Warum? Weil die über 4’000 km Stromkabel nicht digitalisiert sind.

Was tun bei Stromausfall? Unser Artikel liefert wichtige Tipps und To-dos, wenn der Strom ausbleibt.

«Bei einem Stromausfall wissen wir zuerst mal kaum etwas.»

Roland Hediger, Leiter Netzleitstelle Zürich

Wenn ein Stromausfall eintritt, beginnen die Dispatcher die Ursache zu ermitteln und prüfen, ob man den Ausfall durch eine Umleitung und Umschaltungen beheben kann.

Meistens führt aber kein Weg daran vorbei, die Ursache des Stromausfalls am Ursprungsort zu orten und zu beheben. In spektakulären Fällen sind dann auch die Feuerwehr von Schutz und Rettung sowie die Stadtpolizei im Einsatz.satz.

So zum Beispiel am 22. Mai 2025, als sich um 17.18 Uhr – mitten im Feierabendverkehr – ein Stromausfall am Zürcher Limmatquai ereignete. Weil es dort in diesem Zeitraum diverse Baustellen gab, musste ewz vorgängig diverse Umschaltungen vornehmen, um die Stromversorgung trotz Bautätigkeiten sicherzustellen. Doch als Folge eines Kurzschlusses in einer Trafostation fielen weitere zehn Trafostationen aus, die wegen der Baustellen hintereinandergeschaltet waren.

Die aussergewöhnliche Folge: Trams standen still, Ampeln funktionierten nicht, in Verkaufslokalen und Restaurants ging nichts mehr. Betroffen waren insgesamt rund 1’400 Kund*innen. Die vollständige Versorgung konnte erst um 20.04 Uhr wiederhergestellt werden. Denn zuerst musste die Feuerwehr von Schutz und Rettung die Trafostation entrauchen. Erst dann war ein sicheres Arbeiten der ewz-Fachleute gewährleistet, sodass sie die Trafostation betreten und mit dem Wiederherstellen der Stromversorgung beginnen konnten.

Auf dem grossen Screen der Netzleistelle zeigt Roland Hediger Zürichs Unterwerke und den Schaltzustand der Leitungen
Kryptischer Anblick: Roland Hediger sieht hier alle Unterwerke und den sogenannten Schaltzustand der Leitungen.

Ursache und Wirkung

Etwa die Hälfte aller Stromausfälle in Zürich geschehen durch Fremdeinwirkung. Der typische Fall ist eine Baustelle am Freitagnachmittag, bei der jemand noch schnell etwas fertig machen will und dabei eine unterirdische Stromleitung beschädigt. Je nach Leitung kann dies einige wenige Haushalte oder einen halben Stadtteil verdunkeln.

Garantiert zu einem grösseren Stromausfall führt, wenn eine – zum Glück sehr seltene – gröbere technische Störung in einem Unterwerk geschieht. Dies ist ein elementarer Knotenpunkt im Stromnetz. Von den Kraftwerken fliesst der Strom auf der Höchstspannungsebene (380’000–220’000 Volt, um durch den Transport möglichst wenig Energie zu verlieren) nach Zürich.

Der Strom aus der Steckdose hat aber eine rund 1’000-mal tiefere Spannung, 230 Volt. Hier kommen die lokalen Elektrizitätswerke ins Spiel. Sie wandeln den Strom stufenweise in eine tiefere Spannung und verteilen ihn an die Haushalte. Genau diese Umwandlung geschieht in Unterwerken und Trafostationen.

Ein Stromausfall ist übrigens das Gegenteil von einer Notlandung: Im Flugzeug wird einem eingetrichtert, im Notfall alles liegen zu lassen. Durch die Vielfliegerei scheinen dies viele Leute auf Stromausfälle zu übertragen und stehen, wenn die Räumung eines Gebäudes aus Sicherheitsgründen angeordnet wird, dann ohne Jacke, Hausschlüssel oder Portemonnaie vor ihrem Bürogebäude.

Ungünstig, wenn man das Gebäude stundenlang nicht mehr betreten kann oder ins Homeoffice will. So geschehen im Prime Tower 2013. Bei einem Stromausfall gilt deshalb das Gegenteil einer Notlandung: alles mitnehmen. Nur weil der Strom weg ist, stürzt das Gebäude nicht ab.

Diverse Leitungen, die unter Hochspannung stehen

Eines der wichtigsten Unterwerke Zürichs

Unterwerke (UW) sind essenziell für die Stromversorgung – via Anmeldung können Sie auch gerne eines besichtigen.

Hier blicken wir in das Unterwerk Katz. Wenn dieses ausfallen würde, wäre das gelinde ausgedrückt «nicht so gut», erklärt ein ewz-Mitarbeiter. Konkret wären dann grössere Teile der Innenstadt inklusive Trambetrieb lahmgelegt.

Dass unter dem idyllischen, begrünten Hügel des Alten Botanischen Gartens eine eigene Unterwelt existiert, würde man nicht vermuten. Hinter einer unscheinbaren Tür führen gewaltige Tunnel in die Tiefe.

Das Unterwerk Katz wurde 2020–2023 erneuert. Ausserhalb einer Stadt könnte man vielleicht einfach ein zweites Unterwerk bauen. Aber hier, wo es nur wenig Platz gibt, musste das Unterwerk etappenweise unter laufendem Betrieb umgebaut werden. Was alles beim Unterwerk Katz erneuert wurde, erläuterten die ewz-Fachleute interessierten Bürger*innen bei einem Abend der offenen Türe im Juli 2023. TeleZüri berichtete wie folgt darüber:

Weniger Stromausfälle dank zu vieler Teile

Die Tunnel des Unterwerks Katz sind gefüllt mit Transformatoren und der gasisolierten Schaltanlage. Diese wandeln den Strom von Hoch- in Mittelspannung, bevor er auf Teile der rund 900 Trafostationen der Stadt an die Haushalte verteilt wird.

Andreas Link steht vor dem umgebauten Transformator
«Im Falle eines Brandes würden die Transformatorenräume mit einem Gas gefüllt, das jedes Feuer erstickt.» Andreas Link, ewz-Projektleiter
Andreas Link, ewz-Projektleiter
powernewz in Ihrer Mailbox

Die neue gasisolierte Schaltanlage (GIS) mit ihren vielen Gasräumen
Nahaufnahme eines Gasraums der neuen gasisolierte Schaltanlage (GIS)
«Dieser Stromausfall ist eine absolute Sauerei! Seit einer halben Stunde stecke ich hier auf der Rolltreppe fest 😉 »

Nachricht eines Kunden an den ewz-Direktor

Stromausfälle werden hier vor allem mit Redundanz verhindert. Also indem man mehr Teile hat, als für den laufenden Betrieb eigentlich nötig wären. Transformatoren hat es drei, und die gasisolierte Schaltanlage besteht aus unzähligen Einzelkomponenten, die unabhängig voneinander funktionieren können.

Das Prinzip der Redundanz gilt auch für das Unterwerk als Ganzes. Würde eine Flutung die drei Transformatoren unbrauchbar machen, würde das erneute Beschaffen und die Installation der 77 Tonnen schweren Geräte ein Jahr lang dauern. In einem solchen Fall müssten die umliegenden Unterwerke einspringen – Zürich hat insgesamt 18 davon. Eine sehr grosse Stadt wie Berlin übrigens ungefähr 80.

Andreas Link steht vor der neuen gasisolierte Schaltanlage (GIS).
Andreas Link leitet den komplexen Umbau des Unterwerks Katz.

Bei Stromausfällen ticken die Leute von Region zu Region verschieden

Bei unserem Rundgang für diese Reportage amüsieren sich zwei Ingenieure leicht über den Stromausfall in einer kleineren Gemeinde. Der Ausfall habe damals 16 Stunden gedauert. Dies sei aber völlig natürlich, erklären sie, weil ein Dorf eben meistens nur ein einziges Unterwerk habe und es keine Möglichkeit zum Umschalten gäbe.

In der Stadt dauern wegen der vielen Unterwerke auch die grössten Stromausfälle nur wenige Stunden. Das ist wahrscheinlich auch besser so, denn in Zürich reagieren die Menschen «eher sensibel» auf Stromausfälle. Banken oder Technologiefirmen wie Google sind von konstanter Stromversorgung abhängig. Sie benutzen deshalb Batterien oder Notstromgeneratoren oder haben einen Zweitanschluss ans Reservenetz von ewz.

In den Gebieten Mittelbünden und der Talschaft Bergell, die ewz ebenfalls mit Energie versorgt und über die regionale Leitstelle Sils im Domleschg gesteuert werden, sei man durch Naturereignisse wie Lawinen und Steinschläge eher an ungewöhnliche Situationen gewöhnt. Vermutlich würden sich die Menschen in Graubünden auch bei einem längeren Totalausfall oder Blackout besser schlagen.

«In Zürich reagieren die Leute eher sensibel auf Stromausfälle. In Graubünden ist man da viel entspannter.»

Roland Hediger, Leiter Netzleitstelle Zürich

Wegen dem Umbau des Unterwerks sind diverse Einrichtungen provisorisch gehalten.
Aufgrund des laufenden Umbaus sind diverse Einrichtungen provisorisch – teils auch schon fast historisch.
Liveanzeige von Schaltungen des Unterwerks.
Liveanzeige von Schaltungen des Unterwerks.
Die Schaltungen des Unterwerks werden hier live angezeigt.

Grossflächige lang anhaltende Stromausfälle oder Blackouts vermeiden

Ein ewz-internes Handbuch behandelt auch Stromausfälle aufgrund von Cyberattacken und wie die Stromversorgung bei Naturkatastrophen, einer Pandemie oder Strommangellage sichergestellt werden kann. In den vergangenen Jahren sind zwei dieser extremen Szenarien eingetreten: die Coronapandemie sowie die potenzielle Strommangellage Winter 2022/2023.

Die Notfallpläne funktionierten: Während Corona wurden in den Kraftwerken und Leitstellen die Schichten so angepasst, dass sie sich nicht mehr überschnitten. Zusätzlich haben Energieunternehmen Teams mit Schlüsselpersonal auf verschiedene Standorte verteilt, während jene, die konnten, im Homeoffice tätig waren. Mit solchen Massnahmen wurden schon Wochen zuvor Ansteckungen verhindert und die Versorgung der Stadt blieb sichergestellt.

[Dieser Artikel erschien ursprünglich Anfang 2020]

Auf der Website ewz.ch/störungen publizieren wir sämtliche Störungsmeldungen in unserem Versorgungsgebiet. Bei grösseren Störungen wird laufend auch auf X orientiert. Hier gibts weitere Informationen und Services sowie Tipps für den Fall eines Stromausfalls.

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Kommentare

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Bisherige Kommentare (9)
Hansueli Zürcher sagt:

Nach 40 Jahren IWB Basel als Dispatcher in der Netzleitstelle kann ich nur sagen: Eine Tolle Web seite!

powernewz-Team sagt:

Herr Zürcher, Sie bringen mit Ihrem Kommentar gerade Herzen zum Schmelzen…
Ganz vielen Dank für die positive Rückmeldung. Ihre Worte freuen uns ausserordentlich und motivieren uns sehr, sich für weitere lesenswerte Artikel einzusetzen.

Roth sagt:

«HIER gibts weitere Informationen und Services sowie Tipps bei Stromausfällen.»
Der Link unter HIER funktioniert nicht. Bitte gerne anpassen.

powernewz-Team sagt:

Ganz herzlichen Dank für diesen Hinweis, den wir gerne sofort korrigiert haben. Beste Grüsse, Esther Peter

Erwin Koller sagt:

Ich war einige Jahre Kabelmonteur KWB hatte viel zu tun Montage, unter anderem neue ETH Zuerich Höngg,
Dann wechselte ich meinen Job und somit ab ins EWZ als Betriebs-Aufseher im Limmatwek Wettingen, also Tag und Nacht Schicht sowie Samstag und Sonn und Feiertagen. Hoch und Niederwasser wurde immer perfekt
geregelt mit zuverlässigem Personal und im Team. Viel Erfolg wünsche ich Allen, die da mitwirken
für eine Stabile Strom-Versorgung,im ganzen Spektrum, Verteilnetze des EWZ, der Stadt Zuerich.

powernewz-Team sagt:

Guten Tag Herr Koller. Es freut uns sehr, von ehemaligen Mitarbeitenden zu hören und wir danken vielmals für Ihre motivierenden Wünsche. Ihnen auch alles Gute! powernewz-Redaktion

Alex Fehlmann sagt:

Wir engagieren uns für Sie, zurzeit führen wir eine 22 kV (22’000 Volt) Schaltanlagenrevision im Unterwerk Drahtzug durch, damit die Anlagen auch für die Zukunft fit bleiben und somit für die Stadt Zürich eine sichere Stromversorgung garantieren.

Herzliche Grüsse
Alex Fehlmann, Instandhaltungsfachmann Energietechnik bei ewz

Theresia Krebser sagt:

Höchst spannend und interessant.
Vielen Dank und Hut ab vor allen
Spezialisten.

powernewz-Team sagt:

Guten Tag Frau Krebser. Herzlichen Dank für Ihr Kompliment, das ich sehr gerne an unsere ewz-Teams weitergebe. Beste Grüsse, Esther Peter