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Portrait Christof Drexel

Biomasse oder Biogas
für Strom und Wärme

Kolumne von christof drexel, 27.03.2023

Irgendwie hat es sich etabliert, dass aus fester Biomasse (etwa in Form von Holzschnitzeln) Wärme gemacht wird; Biogas hingegen wird meist verstromt. Grundsätzlich ist jeweils beides möglich – wobei entweder ausschliesslich Wärme produziert wird (in einem Heizwerk) oder sie als Nebenprodukt bei der Verstromung (Blockheizkraftwerk bzw. Kraft-Wärme-Kopplung) entsteht.

In manchen Fällen findet die Verstromung an Orten statt, wo die Wärme nicht gut genutzt werden kann, etwa wenn Biogas in abgelegenen landwirtschaftlichen Betrieben verwertet wird.

Flexibel einsetzbar dank der gespeicherten Form

Die beiden Energieträger haben gemein, dass sie bereits in gespeicherter Form vorliegen und die Erzeugung von Wärme oder Strom zu einem beliebigen Zeitpunkt erfolgen kann. Mit der Einschränkung, dass bei der dezentralen Biogas-Verstromung in der Regel keine Speicher zur Verfügung stehen, weshalb der Betrieb oft kontinuierlich und ganzjährig erfolgt.

Ein wesentlicher Unterschied liegt in den erreichbaren Temperaturen: Wird feste Biomasse verbrannt, können Temperaturen von 500 bis 600 °C erreicht werden, bei der Verbrennung von Gas sind auch 1000 °C oder mehr möglich. Das spielt in der Raumwärme natürlich überhaupt keine Rolle, für industrielle Prozesswärme aber sehr wohl.

Was ist wertvoller: Strom oder Wärme aus Biomasse (oder Biogas)?

Was die Form der erzeugten Energie anbelangt, ist Strom wesentlich wertvoller als Wärme: Der Preis für eine Kilowattstunde Strom liegt oft um den Faktor drei höher als jener für eine Kilowattstunde Wärme.

Strom kann für verschiedenste Zwecke verwendet werden – von der Beleuchtung über den Betrieb von Elektrogeräten bis hin zur (Elektro-)Mobilität.

Auch in der Wärmeversorgung kommt elektrische Energie zum Einsatz – gute Wärmepumpen nutzen Anergie in vielfältiger Form und machen aus einer Kilowattstunde Strom vier oder fünf Kilowattstunden Wärme.

Deshalb liegt es auch prinzipiell nahe, aus Biomasse nicht nur Wärme, sondern primär elektrische Energie zu produzieren [vgl. Kolumne]. Nicht nur, weil sie wertvoller ist, sondern auch, weil Biomasse mehr und mehr ihren grossen Vorteil ausspielen kann: Sie liegt in gespeicherter Form vor und kann dann verstromt werden, wenn am meisten davon gebraucht wird – Stichwort: Winterstrom.

Je höher der Anteil von volatilen Erneuerbaren (Sonne, Wind, Wasser) im Strommix, umso wichtiger die flexible Produktion von Winterstrom.

Biomasse und Biogas als begehrte Energieträger

Dasselbe gilt grundsätzlich auch für Biogas. Die Möglichkeit, sehr hohe Temperaturen zu liefern, macht Biogas aber auch zu einem sehr begehrten Energieträger für die Industrie – rund ein Drittel der industriellen Prozesswärme wird im Hochtemperaturbereich benötigt (Quelle).

Auch bei der Prozesswärme lohnt es sich, genau hinzuschauen: Temperaturen unter 100 °C (die immerhin etwa ein Drittel des gesamten Prozesswärmebedarfs ausmachen) können mit (Gross-)Wärmepumpen wirtschaftlicher bereitgestellt werden. Für Temperaturen bis 500 °C stellt feste Biomasse künftig eine attraktive Option dar.

Das Potenzial von Biogas ist allerdings viel geringer als jenes der festen Biomasse (Quelle). Will man damit den Bedarf an industrieller Hochtemperatur-Prozesswärme abdecken, sollte es möglichst dafür reserviert (und nicht verstromt) werden.

Blick in die Zukunft: Kraftwerke und Gasnetz

Diese Transformation muss bzw. kann nicht von heute auf morgen erfolgen: Während die Umstellung von reinen Heizwerken auf Blockheizkraftwerke bei fester Biomasse nach und nach erfolgen kann, muss Biogas noch auf seine finale Bestimmung warten: Das dezentrale Aufkommen und die entsprechende Verwendung machen die Nutzung des bestehenden Gasnetzes erforderlich – allerdings erst, wenn in diesem Gasnetz (fast) kein Erdgas mehr strömt.

Trotzdem ist es hilfreich, ein, zwei Jahrzehnte in die Zukunft zu blicken, um die richtigen, langfristig wirksamen Entscheidungen zu treffen.

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