Magazin Rubriken Klimawandel Schweiz

Zuhause

Kolumne von christof drexel, 24.3.2020
Portrait Christof Drexel

Buchautor und Referent Christof Drexel ist Experte für Fragestellungen rund um die Energiezukunft und deren nachhaltige Erreichbarkeit. Mehr zu seiner Person im Portrait, seine Meinungsartikel erscheinen alle zwei Wochen als Kolumne auf powernewz.

Die Coronakrise hat etwas Surreales. Auch wenn sie täglich dramatischere Ausmasse annimmt, die meisten von uns sind nicht – oder vielleicht noch nicht – direkt (gesundheitlich) betroffen. Indirekt hingegen umso mehr. Viele müssen Zuhause bleiben, und man weiss warum, spürt aber nicht warum. Wertehaltungen verändern sich ganz von selbst. Positiv besetzte Begriffe – wie Ferien, Urlaub oder Zeit haben – erhielten in den letzten Wochen einen seltsamen Beigeschmack. Manche sehen das Positive: die Entschleunigung. Die Zeit mit den Liebsten. Die (Tele-)Kommunikation mit Freunden. Arbeiten von Zuhause.

Mich interessiert dabei wenig überraschend die Seite der Emissionen. Die Strassen sind mancherorts leer wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Privatverkehr – der zum überwiegenden Teil dem Weg zur Arbeit und den Freizeitaktivitäten geschuldet ist – dürfte derzeit um etwa 50 Prozent geringer ausfallen. Wir frönen unseren Hobbys kaum, und die Champions League lockt keine Massen über weite Distanzen an.

Nachdem auch die Restaurantbesuche entfallen, bleiben im Sektor «Sport und Freizeit» nur die private Internetnutzung, Videokonferenzen und das Streamen übrig: Das macht höchstens noch ein Drittel der Emissionen aus. Geflogen wird so gut wie gar nicht, weder privat noch geschäftlich. Geschäftsreisen, Tourismus: Fehlanzeige. Und sogar unser Konsumverhalten ist eingeschränkt. Es gibt ja Wichtigeres. Gesamthaft fährt man auf dieser Basis die Emission von Treibhausgasen mitunter um mehr als ein Drittel herunter. Unfreiwillig und ja, in manchen Bereichen mit echten Einschränkungen verbunden.

Ich bin aber sicher, dass die meisten Menschen auch einige Bereiche identifizieren können, wo die unfreiwillige Emissionsreduktion nicht mit Einschränkungen einhergeht, sondern mit Gewinn: Entschleunigung, Zeit mit den Liebsten, Kommunikation mit Freunden.

Zuhause. Dem Hamsterrad entfliehen. Sich sorgen um das, was wirklich wichtig ist. Sich freuen an dem, was wirklich wichtig ist. Vielleicht nehmen wir ein Stück davon mit in die Zeit nach der Krise. Vielleicht hilft es auch ein bisschen gegen die nach wie vor grösste Bedrohung unserer Zivilisation: die globale Erwärmung – und den Klimawandel in der Schweiz.

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